Vor zwei Jahren zwang uns Corona in den Lockdown. Was tun? Online-Arbeit war das neue Zauberwort. In der freien Wirtschaft seit Jahren bekannt, waren Online-Arbeitsformen im Bereich von Lerntherapie, Supervision und Fortbildung ein Novum. Doch schon bald wuchs das technische Equipment genauso wie die gesammelten Erfahrungen. Zeit für ein Fazit.
Die Entdeckung der Vielfalt
Corona ist nicht vorbei, aber der Umgang damit entspannter geworden durch Impfungen, Tests und erste Forschungsstudien. Also ist bei den Arbeitsformen in der Lerntherapie alles wie vorher? Nein. Was aus der Not geboren schien, zeigt vielfältige neue Wege auf.
Therapie
Gerade ältere Schüler und Erwachsene mit knapper Zeitressource schätzen im Bereich Therapie (Legasthenie) die Online-Arbeit. Mit der Bedienung des Computers haben sie keine Probleme. Man kann Arbeitsblätter auf dem Bildschirm aufrufen und sie per Textbaustein (OpenBoard) oder mit dem virtuellen Stift online bearbeiten lassen. Die Hausaufgaben kommen per E-Mail nach Hause zum Ausdrucken. Gleiches gilt für Schüler mit längeren Anfahrtswegen. Selbst Anfragen aus anderen Städten, ländlichen Regionen mit wenig lerntherapeutischem Angebot oder deutschen Schülern im Ausland lassen sich für Selbstzahler nutzen.
Schwieriger gestaltet sich die Online-Arbeit im Bereich Dyskalkulie. Hier ist es günstig, wenigstens basale Kenntnis im Umgang mit Grafikprogrammen zu haben, um handelndes Lernen durch zweidimensionale Grafiken zu ersetzen. Diese erstellt man entweder selbst (z.B. in Powerpoint und oder Adobe Photoshop Elements), man bekommt sie aber auch mit Programmen wie z.B. „Worksheet Crafter“ und schneidet sie dann z.B. mit „Adobe Photoshop Elements“ aus oder man nutzt animierter Apps, wie sie z.B. über „PIKAS digi“ gesammelt und bereitgestellt werden. Arbeitshefte, die als „eBook“ angeboten werden, ersparen das lästige Einscannen.
Supervisionen, Hospitationen
Ob Supervisionen mit einzelnen Kollegen oder Gruppensupervisionen mit angehenden Lerntherapeut*innen, das Online-Format macht den Präsenzveranstaltungen Konkurrenz.
Keine langen Anfahrten, bequemes Meeting nach Feierabend oder im Vormittagsbereich, eine sehr flexible Platzierung der Termine ist möglich. Es kann die Dokumentenkamera für das Anzeigen von Büchertiteln oder Arbeitsmaterial eingesetzt werden. Man kann Tests oder Arbeitsproben von Schülern per PDF auf den Bildschirm laden etc.
In einer meiner letzten Supervisionen für angehende Lerntherapeut*innen stellte sich heraus, dass von 8 Teilnehmern eine aus Zürich, die andere aus Dublin zugeschaltet war.
So ergaben sich auch einige Hospitationen, die aus dem Ausland per Meeting-Software den Online-Stunden meiner Schüler einfach zugeschaltet werden konnten.
Bei Einzelsupervisionen hat sich der Einsatz von eingescannten Kartensets zum Intro, von Apps zum Sortieren des Problems (z.B. Flinga, Mural, Conceptboard) und verschiedene „Lernerfolgsräder“ (siehe meinen Blogartikel zum Thema) zur weiteren Zuordnung und Erarbeitung bewährt.
Fortbildungen
Als Anfang des Jahres die Corona-Zahlen stiegen, hatte ich kurzfristig nur die Alternative, mein zweitägiges Praxisseminar durchgängig mit Maske abzuhalten oder online zu arbeiten. Ich entschied mich für die zweite Lösung, kaufte Fotolampen und einen drahtlosen Kopfhörer, reihte alle Materialien vor der Dokumentenkamera auf, erstellte ein Padlet mit Unterlagen für die Breakout-Sessions und evaluierte die Veranstaltung mit „Mentimeter“ und der Online-Karte „Reise ins Land des Lernens„. Das Feedback war ausgesprochen positiv.
Im Frühjahr musste ich dann zwei Workshops an einer Wuppertaler Gesamtschule in Präsens abhalten. Ich schleppte schwere Kisten mit vorzustellenden Büchern und Arbeitsmappen, musste vorher die Anzahl der Kopien genau festlegen und brauchte Hilfe bei der schuleigenen Technik. Auch die Größe des Whiteboards für die Wiedergabe der Powerpoint-Folien war nicht zufriedenstellend. Da wünschte ich mir doch fast einen Online-Workshop her.
Meetings für Peer-Groups, Regionaltreffen und Verbandssitzung
Mein Netzwerk als Lerntherapeutin ist vielfältig. Um an allen wichtigen Verbandssitzungen teilnehmen zu können, hat mir von jeher die Zeit gefehlt. In der Corona-Epidemie wurden notgedrungen alle Hauptversammlungen, Regionaltreffen etc. online abgehalten. Dies verschaffte mir wichtige Einblicke in Strömungen, Entwicklungen und Trends der Verbandsarbeit. Der Zulauf an Interesse blieb bei den Verbänden nicht unbemerkt, sodass zunehmend von den verschiedenen Verbänden Online-Termine für Veranstaltungen, aber auch für Fortbildungen aus den eigenen Reihen angeboten werden.
Ausblick
Und wenn jemand denkt, das ist ja alles gut und schön, aber wo bleiben die persönlichen Begegnungen? Die können sich auch durchaus wieder aus virtuellen Meetings ergeben. Mitte Juli treffe ich mich mit meiner angehenden Lerntherapeutin aus der Supervision und Hospitation zu einem Bummel durch Dublin im Anschluss an einen Irland-Urlaub.