Die bekannte Insel-Festland-Geschichte von Mechthild Reinhard basiert auf einer Therapiesitzung mit einem schwierigen Jungen und wird von ihr in der pädagogischen und therapeutischen Arbeit mit jüngeren und älteren Kindern als systemisches Tool genutzt, um die Erlebniswelt des Gegenübers gemeinsam zu erkunden.
Die urspüngliche Geschichte
Mechthild Reinhard arbeitete mit einem Jungen, der die 3. Klasse besuchte und Konzentrations- und Lernschwierigkeiten zeigte. Sie bat ihn, ein Bild seines Erlebens zu malen und gewann so nach und nach Zugang zu dem Kind. Die Geschichte wird von der Autorin als Videoaufzeichnung angeboten und in dem Aufsatz „2 x 2 ist grün“ erläutert.
Der Junge stellte sein Erleben als Land dar, welches ursprünglich zusammengehört habe, sich aber dann in Festland und Insel aufgeteilt hätte. Das Festland beschrieb er als Land des „Müssens“, des vorgezeichneten Wegs, von dem man nicht abweichen dürfe. Dort gebe es nur Befehle und Pflichten von Schule, Eltern und Therapeuten und er sehe keinen Sinn mehr, diese Anforderungen zu erfüllen.
Auf der Insel dagegen, dem Land des „Wollens“ sei alles leicht, bunt und lustig. Man könne dort Träume, Wünsche und Ideen haben. Die Insel rücke vom Festland weg, wenn die Anforderungen dort zu viel würden, oder jemand vom Festland zur Insel wolle.
Die Idee des Einsatzes als systemisches Tool für andere Klienten
Mechthild Reinhard war sehr berührt von der phantasievollen Beschreibung des Jungen über das, was in ihm vorging. So setzte sie die Geschichte als systemisches Tool auch bei anderen Kindern ein, als von außen gesetzte Metapher, mit der die Kinder ein Bild ihrer eigenen inneren Welt entwerfen konnten, mit dem sie dann gemeinsam arbeiten konnten.
Eigene Visualisierungshilfen für das systemische Tool
Aus dieser Beschreibung entwickelte ich nun für meine Klienten einen Plan mit Festland und beweglicher Insel, die abrücken oder näher ans Festland rücken kann. Dazu sammelte ich Ideen für Symbolscheiben:
- schwarze Scheiben für das Festland und wie man sich dort fühlen könnte
- rote Scheiben für das Erleben auf der Insel
- grüne Scheiben als mögliche Kontakte zwischen Insel und Festland.
Der Klient kann die Metapher nutzen und die Insel im ihm gemäßen Abstand zum Festland platzieren. Er kann die Insel mit einer Auswahl der vorgegebenen Symbole bestücken oder eigene dazu malen. Ebenso kann er auf dem Festland verfahren. Will er Kontaktmöglichkeiten zum Festland zulassen oder nicht?
In den Aufzeichnungen über Klienten kommen beim Reinhard unterschiedliche Ideen vor. Ein Klient beschreibt einen Tunnel mit verschließbarer Schleuse, andere eine Zugbrücke, ein Boot oder einen Vulkan, der Unterwassereruptionen auslöst und dadurch die Insel näher ans Festland bringt. Durch die Metapher Insel-Festland erhält der Therapeut tiefe Einblicke in die Innenwelt des Klienten und kann so eine gute gemeinsame Erforschung beginnen.